Kubach & Kropp

Stein - Licht - Klang / Skulpturen

09.12.2023 – 23.03.2024

Faszination erfolgt spontan, ergreift elementar und setzt sich energieschwer ab. Dann reift sie zu einer neuen positiven Erfahrung, auf die zurückgegriffen werden kann, sobald ein ähnliches vergleichbares Objekt auftaucht, das Attraktion und damit wertende Betrachtung auslöst. So widerfährt es dem Interessierten bei der ersten Begegnung mit den Steinskulpturen des Künstlerpaares Kubach & Kropp. Verblüffend leicht erscheint das Produkt aus konzeptioneller Idee und elementarer Materie: Stein als Trägermaterial künstlerischer Ideen gilt seit Bestehen der Menschheitsgeschichte als Herausforderung. Er wurde behauen, bemalt, mit Hammer und Meißel in Form gebracht und in seiner Blockhaftigkeit als Widerpart und Hindernis gesprengt. Stein, ein Element der steten Herausforderung, erfährt bei Kubach & Kropp eine neue Dimension, die sich nicht der äußeren geschlossenen Form zuwendet, sondern das Innenleben thematisiert. Es geht um das Sichtbarmachen geheimer Ordnungen und innerer Strukturen.
So wie jeder Stein eine spezifische Dichte, ein spezifisches kristallines Gitter aufweist, nähern sich Kubach & Kropp ihrem steinernen Gegenüber mit adäquaten aber steinspezifischen Vorgehensweisen. Sie perforieren den Stein durch serielle Bohrungen und geben dem Inneren ein wabenförmiges Erscheinungsbild in vielen Varianten. Die ursprüngliche Form des „Findlings“, meist Granite unterschiedlichster Herkunft, wird aufgelöst und in ihrem Innenleben erfahrbar gemacht. Dabei entstand nun nach bald 20jähriger Partnerschaft ein Charakteristikum ihrer Arbeit, das Einbeziehen von Bohrkernen als gestalterisches Element. Sie sind ein unverwechselbares Kennzeichen ihres künstlerischen Eingreifens in den Stein.
Durch die wabenförmigen durchbrochenen Fronten kann das Licht fluten und sich in den unregelmäßig angeordneten Bohrlöchern ausbreiten. Der Stein verliert seine Schwere und hält mit dem Licht ein Zwiegespräch über Zeit und Vergänglichkeit. Während die schwere Materie von der Urgeschichte unseres Planeten erzählt, spielt das Licht in seinen Poren die kurze Melodie vom Hier und Jetzt. In der Annäherung an das Material Stein manifestieren sich in fast idealer Weise maskuline und feminine Qualitäten, das Prinzip der Ergänzung von „Ying und Yang“. Eine Paarung besonderer Ausprägung zeigt sich im Umgang mit den Bohrkernen. Sie können variabel entnommen, in Addition zu einer eigenen Skulptur zusammengefügt werden oder auch spielerisch wieder in die Bohrung eingesetzt werden, je nach beabsichtigter Wirkung. Die Arbeit am Stein ist ein harter mühevoller und langwieriger Prozess ohne Vergleich in der Realisierung anderer Kunstwerke. Nur wenige Künstler setzen sich dieser kontinuierlichen Mühe und körperlichen Anstrengung aus, und nur ganz wenigen gelingt es, ihre künstlerische Ideen in adäquater Präzision umzusetzen. Die Skulpturen aus Stein manifestieren eine Gegenposition zur Geschwindigkeit und Oberflächlichkeit des modernen Lebens und auch des aktuellen Kunstmarktes, der sich allzu gerne dem schnellen Effekt öffnet.
Auch wenn Hammer und Meißel bei Kubach & Kropp gegen modernste Technologie und Diamantwerkzeuge eingetauscht wurden, stehen sie in ihrem Arbeitsprozess der inhärenten Zeitlosigkeit des Steins gegenüber, der sie mit ihrer körperlichen Anstrengung entweder ein lächerliches Produkt oder den demütigen Moment menschlicher Kreativität abringen, der in die Überzeitlichkeit des Seins eingehen kann.
Wenn dies gelingt, setzt hier das Staunen, die Faszination des Betrachters ein, der von Material und Form in gleicher Weise angezogen wird und den künstlerischen Impetus darin erspürt. Es ist die Erfahrung, dass durch künstlerische Kreativität mehr an unsere Erde zurückgegeben als genommen wird, denn nach den Aussagen unseres Künstlerpaares sind Steine „die Sprache unseres Planeten“.
Ihr antworten sie gestalterisch in kraftvollem, geometrischem Minimalismus. Stets führen sie ihre Werkzeuge linear durch das Material und präzisieren ihre Bohrungen punktgenau, da es keinen zweiten Versuch, keine Korrektur gibt. In steter Konzentration treffen sie klare Aussagen und greifen auf erkennbare Grundformen wie Kubus, Quadrat, Kreis oder Rechteck zurück. Ihnen implantieren sie bewusst ihre schwerelosen Lichtsegmente. Dabei beachten sie in asiatischer Haltung das Spiel zwischen unbehandelter, gebrochener Oberfläche und polierter Form. Stets bleibt das Spannungsverhältnis zwischen Natur und eingreifender Gestaltung erhalten, egal welchem Typus von Steinskulpturen aus der reichhaltigen Palette von Kubach & Kropp man begegnet.
Da gibt es faszinierende rundbodige oder schalenförmige Arbeiten mit interaktivem, kinetischem Charakter. Da gibt es Säuleninseln, die durch leichtes Berühren ins Ungleichgewicht gebracht werden können und die in ihrer Labilität ein feines Klingen des Steines auslösen, als würden sich gebrochene Eisschollen klirrend aneinander reiben. Da gibt es linear geschnittene Skulpturen, deren Frontfläche die raue unbehandelte Materie Stein zeigt, die aber beim Berühren der Lamellen ihr inneres Geheimnis preisgeben. Der Stein klingt, lässt sich wie ein Instrument bespielen und erzählt vom langen Atem der Natur und von der Sensibilität derer, die ihn gefunden, in seinem Inneren erkannt und gestaltet haben. Es ertönt die Botschaft, dass Musik nur aus der Fülle der Stille geboren werden kann, dass Zeit nur in der Tiefe der mühsamen Auseinandersetzung mit der Materie erfahrbar ist.
Kubach & Kropp leben und arbeiten seit 1992 gemeinsam in Bad Münster am Stein

Kubach & Kropp
Stein für das Licht, 2004
Steinskulptur, schwarzer schwedischer Granit
78 x 98 x 16 cm
Foto: Livia Kubach

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