Bernd Zimmer. Die Bäume…

Malerei 1979 bis 2023

27.10.2023 – 27.01.2024

Anlässlich des 75. Geburtstags von Bernd Zimmer präsentiert Galerie Thomas eine Werkauswahl aus allen Schaffensperioden des Künstlers, die seine malerische Vielfalt und Entwicklung anhand des symbolträchtigen Baummotivs nachzeichnet.

Er gilt als Symbol des Lebens, der Erkenntnis und des Wissens: der Baum. Dabei sind die ihm zugeschriebenen kulturellen Bedeutungen ebenso vielfältig wie seine diversen Arten und Erscheinungsformen. Mit seiner himmelwärts ausgerichteten, aufrechten Statur verkörpert er Wachstum, Stärke und Stabilität, während das sich mit den Jahreszeiten verändernde Blätterkleid den Lebenszyklus versinnbildlicht. Entwicklung und Wandel, Werden und Vergehen betreffen sowohl Baum als auch Mensch.
Ihre enge Beziehung wird besonders evident in Bernd Zimmers „Mann im Baum“ von 1982: Aktfigur und Stamm sind miteinander verschlungen und verschmelzen zu einer visuellen Einheit. Dargestellt in Blau und Schwarz, kontrastiert das zentrale Motiv mit dem hellen, sonnigen Hintergrund. Handelt es sich um eine dankbare Umarmung oder ein hoffnungsvolles Festklammern, bei dem der Baum als Rettungsanker fungiert? Deutet sich gar ein Neuanfang an, und stellt sich der Künstler hier selbst dar?
Bemerkenswert ist, dass „Mann im Baum“ – anders als üblicherweise in den Werken Zimmers – eine menschliche Figur zeigt, liegt doch der Fokus des Künstlers ansonsten primär auf Landschaft und Natur. Bäume sind seit den späten 1970er-Jahren ein wiederkehrendes Motiv in seinem Œuvre: von Apfel- und Kirsch- über Mandel- und Olivenbäume bis hin zu Misch- oder Fichtenwäldern. Einzelne Details wie Baumstamm, -stumpf, -schnitt oder -ast finden sich ebenso in Zimmers Bildern wieder wie unterschiedliche Lebensräume und Wetterbedingungen, die von Nebel bis Schnee reichen. Ambivalente Titel wie „Entwurzelt“ oder „Banyan. Baum der Weisen“ erlauben darüber hinaus mehrdeutige Interpretationsmöglichkeiten.
Bernd Zimmer begreift die Bäume als Alter egos: Sie sind – ähnlich der Leinwand – nicht nur buchstäblich sein Gegenüber; ihre malerische Neuinterpretation geht über ihre physische Gestalt hinaus und kann gleichermaßen persönliche Entwicklungen, Empfindungen und Lebensumstände reflektieren. Bernd Zimmer hat im Laufe seines künstlerischen Schaffens unterschiedlichste Bäume in verschiedenen Formen der Malerei festgehalten, wie die in der Ausstellung gezeigten Werke aus den Jahren von 1979 bis 2023 zeigen. Stil, Abstraktionsgrad und Farbgestaltung verweisen auf unterschiedliche Werkphasen und geben einen Einblick in die künstlerische Entwicklung Zimmers.
Seine Malereien zeugen von einer tiefen Naturverbundenheit und sind maßgeblich von den diversen Lebensräumen und Landschaften geprägt, die er während seiner unzähligen Reisen durch die Welt erlebt hat. In großen Serien, die unter anderem Meer-, Himmel-, Dünen- und Wüstenbilder umfassen, nähert sich Bernd Zimmer seinen Themen an: Nach Prinzipien der Konstruktion und De-Konstruktion entstehen die Werke in mehrschichtigen Übermalungen. Wahrnehmung, Farbe, Bildraum und Raumerlebnis sind dabei entscheidende Parameter. Das jeweils dargestellte Motiv mag mitunter hinter malerischen Fragen zurücktreten; nie verliert es sich jedoch in der reinen Abstraktion. Es bleibt stets eine konkrete Spur des Gesehenen vorhanden.
Zimmers Farbfeldbilder, die das kunsthistorische Erbe der Landschaftsmalerei konsequent weiterentwickeln, eröffnen nicht nur neue Erfahrungsräume, sondern dringen gleichzeitig zum Metaphysischen und Transzendenten vor. Bernd Zimmer, der 1998 mit seinem großen „Cosmos“-Zyklus begann, versteht sie ohnehin als Teil eines Ganzen: „Die Idee, der Baum, wir Menschen und das All, das alles gehört zusammen […]“ (Zimmer zit. n. Schleif 2018: 52). Von detaillierteren Baum-Ausführungen über stark abstrahierte Farbexplosionen bis zum kargen Geäst aktueller Arbeiten: Genauso wie die Bäume ihr Antlitz wechseln, bleibt auch das künstlerische Universum von Bernd Zimmer in Bewegung.
Bernd Zimmer (geb. 1948 in Planegg, lebt und arbeitet in Polling) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Wilden. 1977 gründete er mit Rainer Fetting, Helmut Middendorf und Salomé die Galerie am Moritzplatz in Berlin, die mit ihrer sogenannten Heftigen Malerei eine neue Richtung in der Kunst vorgab. Bernd Zimmer wurde mit diversen Auszeichnungen und Stipendien geehrt, darunter von der Karl-Schmidt-Rottluff-Stiftung und der Villa Massimo in Rom. Er ist außerdem Initiator der STOA169 in Polling, einer von internationalen Künstlerinnen und Künstlern gestalteten Säulenhalle inmitten der Natur. Neben zahlreichen Ausstellungsaktivitäten ist sein Werk in bedeutenden Sammlungen vertreten: Harvard Art Museums/Busch-Reisinger Museum, Cambridge; Modern Art Museum, Vancouver; Fondation Cartier pour l’art contemporain, Paris; Berlinische Galerie, Berlin; Buchheim Museum der Phantasie, Bernried; Museum Morsbroich, Leverkusen; Kunsthalle Bremen, Bremen; Städtische Galerie im Lenbachhaus und Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München u. v. m.

Bernd Zimmer
Mann im Baum, 1982
Dispersion auf Leinwand
200 x 160 cm, Courtesy: Bernd Zimmer und Galerie Thomas, München
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023